Inklusivität, Komfortzone und die deutsche Blase

As you may recognize from the title, this post is written in German. That is because its target audience is the German community in particular. It will probably be the only German post on my blog, so please forgive me for doing that. I’m sorry, and I hope you don’t feel left out.

Wenn eine nicht-deutschsprachige Person die Einführung oben gelesen hat, werden meine Entschuldigungen wohl nicht darüber hinweg helfen, dass sie sich möglicherweise von diesem Beitrag ausgeschlossen fühlen. Ich halte dies also für eine gute Einleitung für diesen Beitrag, den ich explizit an die deutsche Community richten möchte: Viele von uns tendieren nämlich dazu, in unserer Komfortzone zu bleiben (#GermanBubble) – was an sich natürlich jedem selbst überlassen ist, aber teilweise ein recht exklusives Gefühl an WordPress Community-Mitglieder aus anderen Ländern vermittelt. In diesem Beitrag möchte ich näher darauf eingehen. Der Beitrag mag an einigen Stellen überaus kritisch erscheinen, doch ich möchte nicht, dass sich jemand vor den Kopf gestoßen fühlt. Ich mag euch sehr und viele von euch sind mir gute Freunde geworden, trotzdem ist es für mich an der Zeit, ein unbehagliches Phänomen, das ich seit längerem sehe, mal öffentlich auszusprechen. Mein Ziel ist es vor allem, ein Nachdenken über die Thematik zu fördern und das eigene Verhalten zu reflektieren.

Die deutsche Blase

Als ich damals zu meinem ersten WordCamp in Sevilla gekommen bin, wurde ich sofort von den überaus freundlichen Mitgliedern der deutschen WordPress-Community willkommen geheißen. Ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar ich für diese schnelle Integration in die Community bin, denn in meiner vorherigen Vorstellung hätte das alles auch ganz anders laufen können. Wegen euch bin ich heute hier.

Ich wurde damals schnell mit der Begrifflichkeit der “German Bubble” bekannt gemacht und empfand das Ganze auch sehr lustig – wir sind halt ein ulkiges Völkchen, dass wir uns selbst im fernen Spanien vor internationalem Publikum wieder in den gewohnten Kreisen wiederfinden. Über die folgenden zwei Jahre, die ich jetzt in der WordPress-Community unterwegs bin, hat das ganze für mich aber einen faden Beigeschmack bekommen. Meine Aufnahme für mich in die deutsche Community damals war unbeschreiblich motivierend und förderlich. Dennoch frage ich mich gleichzeitig, ob dies auch für die damals schon etablierten Gesichter der Fall war: Ich habe immer bei besagtem WCEU ab und zu mal wieder mit Besuchern aus anderen Ländern gesprochen und vereinzelte Kontakte geknüpft, aber wenn es dann darum ging, unterwegs zu sein, abends essen zu gehen, am Pool zu sitzen, dann war ich immer im Kreise der deutschen Community – ausschließlich der deutschen Community. Das habe ich damals natürlich nicht hinterfragt, das ist erst später irgendwann aufgekommen.

Viele von uns tendieren dazu, unter unseren Landsmännern und -frauen zu bleiben. Was bei einem WordCamp Köln oder Berlin völlig natürlich ist, nimmt aber teils groteske Züge an, wenn in Orten wie Sevilla, London oder Paris jeden Tag deutsche mit deutschen essen gehen und dabei miteinander deutsch sprechen. Es ist durchaus ein schönes Gefühl, ein WordCamp als eine Art Klassentreffen aufzufassen, wo man altbekannte Gesichter wieder trifft. Aber ich gehe mal davon aus, dass die meisten von uns auch an neuen Kontakten interessiert sind. Klar, die macht man in der deutschen Community auch – aber die internationale Vielfalt und der Luxus, den wir haben, dort umher reisen zu können sollten doch auch ein Ansporn sein, darüber hinaus Personen mit völlig anderen Hintergründen kennenzulernen. Mit exklusiven in deutsch gehaltenen Treffen am Abend von WordCamps, deutschen Kreisen, die geschlossen auf WordCamps herumlaufen, deutschen WordCamps ohne englische Tracks oder Übersetzungen verbauen wir uns solche Möglichkeiten aber weitgehend. Eine kleine Anmerkung, ich bin überzeugt, dass wir nicht die einzige landesweite Community sind, die solch ein Problem hat (zumindest ich persönlich sehe es als Problem an). Ich kann allerdings nur von der deutschen Community sprechen, da ich weitaus mehr ihrer Mitglieder kenne als die anderer Länder, daher bezieht sich dieser Beitrag auch auf uns.

Unsere Komfortzone, die deutsche Sprache

Es ist völlig klar: Es fällt jedem von uns leichter deutsch zu sprechen als englisch zu sprechen. Und es ist zugegebenermaßen etwas unfair, dass es Leute gibt, deren Muttersprache dieses Englisch ist und die sich folglich nicht bemühen müssen. Ich kann voll und ganz verstehen, dass es auf einem WordCamp Europe auch schön ist, nach all dem anstrengenden Englisch auch mal wieder einen Abend in deutsch zu verbringen. Und auch kann ich es verstehen, wenn Leute, die tatsächlich nie englisch gelernt haben, sich ungern nach außerhalb deutscher Gruppen begeben. Doch wenn schon unmittelbar nach der Ankunft an einem WordCamp-Austragungsort außerhalb Deutschlands die ersten Tweets “Heute Abend wer Lust, in der German Bubble essen zu gehen?” anstatt “Who’s already in town? Dinner plans for tonight? [WordCamp-Hashtag]” lauten, schließt man damit von Vornherein anderssprachige Besucher aus. Doch auch bei einem größtenteils lokalen deutschen WordCamp treten verwandte Phänomene auf: Wenn wir Besucher aus anderen Ländern haben, die mutig und interessiert genug waren, den weiten Weg auf sich zu nehmen, diese dann aber beim ganzen WordCamp nur mit den drei anderen nicht-deutschsprachigen Besuchern in Kontakt treten, weil bei Gesprächsrunden, obwohl man sich der Anwesenheit dieser Community-Mitglieder bewusst ist, außer “Hello” größtenteils deutsch gesprochen wird, werden es sich diese für das nächste Mal genauer überlegen, ob sie die Reise nochmal antreten wollen.

Diese Ausschließung der Communities anderer Länder und Sprachen limitiert nicht nur uns, neue Leute zu treffen (wenn wir das nicht wollen, ist das unser gutes Recht) – sie limitiert auch die anderen, uns näher kennenzulernen und wirft möglicherweise ein schlechtes Bild auf unsere “exklusive” Community. Die Tatsache, dass wir mit dem wohlgemerkt englischsprachigen, also für fast alle verständlichen Begriff “German Bubble” damit haushalten (wenngleich meist im Spaß), macht es nicht einfacher.

Vielleicht ist es aber auch gar nicht die Sprache, sondern die Tatsache, dass ihr euch in der deutschen Community so wohl fühlt (was ich vollkommen verstehe, denn unsere Community ist der Hammer!). Da kann es schwerfallen, neue Kontakte kennenzulernen, wenn es doch bei uns so gut läuft. Auch hier würde ich ermutigen wollen: Natürlich kostet es Zeit, eine Beziehung aufzubauen. Aber im Allgemeinen habe ich die Erfahrung gemacht, dass andere Mitglieder der WordPress-Community genauso offenherzig sind wie wir. Und sollte man mal mit einer Person nicht so gut zurecht kommen, ist es ja völlig legitim, diesen Kontakt nicht zu vertiefen. Was auch immer die jeweiligen Gründe dafür sind, dass ihr euch zum Großteil in der German Bubble bewegt – versucht, diese Gründe zu ermitteln und über euren Schatten zu springen. Gerne könnt ihr solche Punkte in den Kommentaren unterbringen, ich würde mich da über entsprechendes Feedback freuen.

Ich muss hinzufügen, dass ich überzeugt davon bin, dass die erwähnten Auswirkungen der German Bubble-Bewegung nicht die Intention sind, ich glaube es ist vielmehr dem zuzuschreiben, dass viele von uns ungern unsere Komfortzone verlassen. Wir haben eigentlich in unserem Land eine “Willkommenskultur”, und ich denke alle von uns vertreten diesen Standpunkt. Doch die deutsche Blase und deren allseits gegenwärtige Präsenz vermitteln meiner Meinung nach, wie gesagt wahrscheinlich unabsichtlich, eine gegenteilige Message.

Für eine inklusive German Bubble

“German Bubble”, das ist eine witzige Sache und es ist völlig legitim, Bilder mit ausschließlich deutschen Community-Mitgliedern im Ausland auf Twitter mit diesem Hashtag zu branden. Wenn wir den Begriff aber Leuten aus anderen Ländern erklären, dann sollte er bei dieser rein lustigen Bedeutung bleiben und nicht den anderen Personen unterbewusst das Gefühl vermitteln, dass wir so etwas tatsächlich haben und gerne leben.

Ich möchte daher euch alle dazu anregen, euer Verhalten dahingehend zu hinterfragen. Vielleicht habt ihr euch ohnehin schon von dieser “Bewegung” distanziert. Vielleicht ist es euch egal und ihr wollte in der deutschen Blase bleiben. Ansonsten versucht einfach mal in erhöhtem Maße, Leute aus anderen Ländern kennenzulernen. Selbst wenn ihr denkt, dass ihr nicht gut englisch sprechen könnt: Genauso viele Leute aus anderen Ländern haben die gleichen Probleme, und englische Muttersprachler haben volles Verständnis dafür. Wenn ihr etwas nicht versteht, seid mutig und fragt nach – niemand sollte sich wegen gewisser Sprachkenntnisse schämen müssen. Zu guter Letzt: Was ich mir selbst gerne einrede, ist, dass es viel unkritischer ist, wenn ich in Englisch etwas völlig falsches oder unangebrachtes sage (natürlich unabsichtlich). Wenn wir englisch sprechen, genießen wir eine gewisse Narrenfreiheit, und das ist doch auch eine ganz coole Sache, die wir in unserer Muttersprache Deutsch weniger haben. Versucht in diesem Sinne, nach außen hin offener zu sein. Wenn sich Leute mit anderen Sprachen in eure deutsche Gruppe einklinken, nehmt Rücksicht und wechselt auf Englisch. Ich würde mich freuen, anstatt Foto-Tweets wie “German Bubble beim Abendessen” oder “Person X und die German Bubble” lieber Dinge wie “New fusion between Italian, Swedish and German bubbles” zu lesen, und im besten Fall irgendwann einfach den Begriff “German Bubble” bis auf ein paar vereinzelte Spaß-Posts los zu sein.

Nachwort

Meinen Unmut diesbezüglich zu vermitteln, liegt mir schon seit einiger Zeit auf dem Herzen. Wie gesagt, ich wollte damit niemanden vor den Kopf stoßen und ich habe auch keine speziellen Personen im Kopf – es ist einfach ein generelles Phänomen, das ich sehe. Ich hoffe, dass das niemand als persönlichen Angriff aufnimmt und dass wir uns alle weiterhin in die Augen sehen können. Es ist mir immer schwer gefallen, das Thema öffentlich anzusprechen, weil ihr mir am Herzen liegt und ich ungern streiten oder solche kritischen Themen aufbringen möchte, aber irgendwann musste es mal raus. Ich habe vor allem bei diesem WordCamp Europe die rein deutschsprachigen Gruppierungen weitgehend gemieden und dadurch leider einige von euch nur sehr kurz gesehen. Das liegt aber ausschließlich an meiner oben dargelegten Sichtweise auf die Dinge und nicht daran, dass ich lieber etwas mit anderen Leuten machen möchte. Im Nachhinein fand ich es eigentlich sehr schade, dass es so war. Ich hoffe aber, dass wir es in Zukunft mehr hinbekommen, uns vollständig durchzumischen. Denn unsere autonomen Gespräche innerhalb unserer Landsleute haben wir auf unseren Meetups und lokalen WordCamps doch eigentlich genug; selbst wenn wir hin und wieder mal englisch sprechen, weil Personen anderer Sprachen dabei sind, bleiben wir uns doch immer Kern immer treu, und das ist gut so.


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Comments

  1. Caspar Hübinger Avatar

    Cool, dass du das Thema ansprichst! Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen, wenngleich meine eigene Erfahrung mit der German Bubble eher die ist, dass ich mir bei jedem WordCamp vornehme, mehr Zeit mit/in ihr zu verbringen, und jedes Mal klappt es nicht, weil ich ständig mit anderen (englischsprachigen) Leuten unterwegs bin. ????

    Jetzt, wo ich drüber nachdenke, sehe ich da zum ersten Mal einen Zusammenhang. Grundsätzlich finde ich es völlig in Ordnung, wenn sich Deutschsprachige unter sich treffen; allerdings habe ich auch beobachtet, dass selbst in Anwesenheit von nicht Deutsch sprechenden Personen häufig trotzdem weiter Deutsch gesprochen wird.

    Wenn das anders wäre/würde, wäre mir wahrscheinlich wohler dabei, mal ein paar nicht-deutschsprachige Leute mitzubringen und „meiner“ Community näher vorzustellen.

    1. Felix Arntz Avatar
      Felix Arntz

      Da stimme ich dir vollkommen zu. Und das “Mitbringen” nicht-deutschsprachiger Leute in die deutschsprachige Community habe ich beim diesjährigen WCEU auch einmal gemacht, mit gutem Ergebnis denke ich. Noch mehr freuen würde ich mich aber über eine Zukunft, bei der ich gar nicht überlegen muss, ob ich lieber etwas mit Leuten aus der deutschsprachigen oder nicht deutschsprachigen Community machen möchte. Vielleicht bewirkt der Beitrag da ja etwas. 🙂

  2. Detlef Heese Avatar

    Danke Felix für Deine Zeilen. Ich sehen dich noch am Pool sitzen 😉

    Ich glaube einvEuropa schreit nach Austausch, Offenheit und WordPress ist mehr als The German Bubble!

    Mir persönlich macht mein schlechter werdendes Englisch immer den lockeren Plausch mit anderen Nationen nicht einfach! Aber ich bin sicher, dass es sehr wichtig ist.

    Aber ich glaube die anderen Nationen haben auch unser Probleme …

    Wir gucken mal wie es in Belgrad wird!

    Stay cool

  3. Sven Wagener Avatar

    Also die “german bubble” selber sehe ich gar nicht so als das Problem. Ich selber bin auf der einen Seite mit Leuten aus der internationalen Community unterwegs, genauso wie ich mich in der deutschen Community auf einem WordCamp unterwegs bin. Das kommt halt immer drauf an was sich ergibt. Ich bin da auch nicht so hinterher auf Teufel-Komm-Raus zu netzwerken. Das kann mitunter nämlich auch ziemlich groteske Züge annehmen nach dem Motto: “Nee, mit dem war ich ja gestern schon essen”. Das sehe ich da sehr entspannt.

    Allerdings geht mir eine Sache auch auf den Keks und das ist, dass wir es oft genug nicht schaffen auf die englische Sprache zu wechseln obwohl wir Leute im Kreis haben, die kein Deutsch sprechen. Da wird meist einfach stur weiter deutsch gesprochen. Das finde ich meist echt unschön!

    1. Felix Arntz Avatar
      Felix Arntz

      Ich stimme dir generell zu, auch wenn ich es lieber hätte, wenn man zwischen internationaler und deutscher Community gar keinen Unterschied machen müsste. Da hängt es natürlich an jeder einzelnen Person, offen zu sein und sich auch in anderssprachige Gruppen zu integrieren – was natürlich jedem selbst überlassen ist.

      Das Nichtwechseln der Sprache, obwohl Leute aus anderen Ländern dabei sind, sehe ich aber ebenfalls als ein definitives Problem an. Damit schließt man explizit Leute aus und gibt denen das Gefühl, in der Runde nicht willkommen zu sein.

  4. Sören Wrede Avatar

    Finde ich super, dass du diesen Aspekt ansprichst, ich teile deine Sichtweise. Für mich ist das WordCamp Europe gerade so interessant, da man dort oft auf neue Leute aus anderen Ländern trifft und kennen lernt. Daher habe ich mich auch an einigen Tagen extra aus der Komfortzone entfernt und bin im Nachhinein sehr froh darüber.

    Es ist natürlich etwas einfacher, wenn man bereits international gut vernetzt ist oder bereits viele Personen aus Slack und Trac kennt. Aber das WordCamp bietet von sich aus auch viele Möglichkeiten einfach ins Gespräch zu kommen. So kann ich beispielsweise die Tribe Meetups und Speed Networking empfehlen. Dort trifft man einfach viele Menschen, die auch gerne neue Kontakte knüpfen wollen. Man hat gleich Gesprächtsthemen zum Einstieg und kann dies während des Camps und danach über Twitter ausbauen.
    Mir hat es beispielsweise auch letztes Jahr geholfen, dass ich beim WCEU als Volunteer mitgeholfen habe. Da habe sich super viele nette Leute getroffen und man kommt bei den Schichten einfach ins Gespräch. Diese trifft man auch oft auf anderen WordCamps oder in den nächsten Jahren wieder.
    Aber auch auf der Afterparty kann man einfach mal zu einer Gruppe dazukommen oder Personen ansprechen, die alleine rumstehen. So haben sich echt richtig gute Gespräche entwickelt und plötzlich waren 8 Stunden Afterparty im Fluge vorbei…

    Viele andere Nationen haben ein ähnliches Verhalten wie die Deutschen, dass man lieber erstmal in der Komfortzone bleibt. Oft fehlt aber einfach nur einer, der den ersten Schritt macht. Die allermeisten sind keine Muttersprachler, ich selber spreche nicht perfekt englisch. Das habe ich aber bisher nie als Hindernis empfunden, denn nur so kann es besser werden.

    1. Felix Arntz Avatar
      Felix Arntz

      Freut mich sehr zu hören, dass das für dich so gut funktioniert hat! Danke auch für die Anregungen, vor allem zum Thema Volunteering habe ich schon von vielen gehört, dass es das Kennenlernen unterschiedlicher Leute deutlich vereinfacht.

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